Mein „untoter“ Hund und sein „Gehirntumor“

Seit März 2012 lebt Rotti-Schäfer-Mix Heinzi (um keine Verwirrung zu stiften: Heinzi = Hannes = Hans Black = Blacky) in unserer „wilden WG“. Heinzi hat deshalb auch den Beinamen „Untoter“, weil er Anfang 2011 hätte getötet werden sollen, und zwar in einem Tierheim. Begründung: Gehirntumor, weil der Hund unberechenbar sei und auch schwer gebissen hat. Zumindest sei er einfach bösartig. 

 

[Genaueres zu Heinzis „Abrichtevergangenheit“, die ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist und seinen Entwicklungen findet Ihr hier:
http://canissapiens-hundetraining.blogspot.co.at/2012/04/besuch-bei-tierarztin-uber.html
http://canissapiens-hundetraining.blogspot.co.at/2012/05/aggression-weshalb-unterordnunggehorsam.html
http://canissapiens-hundetraining.blogspot.co.at/2013/03/hannes-lebt-seit-einem-jahr-bei-uns.html]

 

Heinzi (und seinem Gehirntumor 🙂 ) geht es inzwischen sehr gut. Die vermeintliche Unberechenbarkeit, die sich laut TierheimmitarbeiterInnen unter anderem dadurch gezeigt haben soll, dass Heinzi sich auf den Rücken wirft, dann aber auf Streicheln mit Aufspringen und Knurren reagiert, soll also deutliches Zeichen eines Gehirntumors sein. Der Amtstierarzt war sich seiner Sache sehr sicher, denn er wollte Heinzis Lebensrettung mit allen Mitteln verhindern.

Äääähhhhm, tja, was soll ich da als Hundetrainerin sagen???
Vielleicht war dieses auf den Rücken werfen keine Einladung zum Streicheln, sondern submissives Verhalten?
Vielleicht wollte er sogar wirklich gestreichelt werden, die Grenze, wann es ihm genug an Nähe ist, wurde aber nicht (an-)erkannt. 

 

Ich kann mir durchaus beides vorstellen.
Einerseits wurde mir erzählt, wie sich Heinzi noch im Tierheim lebend beim Heben einer Hand demütig auf den Rücken fallen ließ.
Andererseits ist Heinzi ein absolut liebenswerter Schmuser, der sich dadurch aber in Situationen bringt, die ihm dann doch unheimlich oder zuviel sein können – je nachdem, wie gut er die Menschen kennt bzw. wie gut die Menschen auf sein Ausdrucksverhalten achten (bzw. es überhaupt lesen können).

 

3-4 Mal seit Heinzi bei mir lebt, konnte ich mit eigenen Augen sehen, wie er sich von einer ihm bekannten Person streicheln lässt, dann aber plötzlich aufspringt und knurrt. Er ließ sich immer durch ein nettes „Heinzi, komm da her“ von mir abrufen und zeigte im Anschluss kein problematisches Verhalten. In jedem Fall lehnte sich die Person entweder leicht über ihn, blickte ihm in die Augen oder reagierte auf Heinzis Beschwichtigungsverhalten (Nase lecken, Schlucken) nicht adäquat – nämlich mit Streicheln aufhören! Ich lasse Heinzi selbstverständlich an sich von niemandem einfach so streicheln]

 

Wenn Heinzi heute von geliebten Menschen gestreichelt wird, sieht er so aus: 🙂

Flathead Heinzi hat keinen Grund zu beschwichtigen, denn er hat gelernt, manchen Menschen auch zu vertrauen.

„Ich bin sooooo lieb“, sagt Heinzi vertrauensvoll. Denn er kann sich darauf verlassen, dass er nicht mit Nähe überfordert wird.

Aber das Zusammenleben mit Heinzi ist anders, als mit einem „normalen“ Hund (gibt es so einen?).
Leider hat er in seiner dunklen Vergangenheit vor allem in Konflikt- oder Stresssituationen gelernt, dass ihm Aggressionsverhalten eine Erleichterung bringt. Danke an alle Rangordnungs- und DominanzfanatikerInnen, die auf absoluten Gehorsam und Hunde abrichten stehen:

 

Ihr habt Heinzi zu dem gemacht, was er heute ist: Ein schnell gestresstes Nervenbündel, in dessen Kopf Aggressionsverhalten überrepräsentiert ist.

 

Aber auch das ist bereits kein Vergleich mehr zur Anfangszeit bei mir (subjektiv ist frau ja immer kritischer, objektive Aufzeichnungen belegen die Fortschritte). Heinzi ist auch beim Besuch fremder Menschen lenkbar [selbstverständlich mit Sicherheitsmaßnahmen], ist schon U-Bahn gefahren und kommt überhaupt mit seinem Leben viel besser klar.

 

UND: Heinzi ist einer der besten Lehrmeister, den sich eine Hundetrainerin wünschen kann. 🙂